s T A S I B E R I C H T  5 - F l u g l e h r e r  h e i n z  m r a s s

Heinz Mraß – Fluglehrer in Pinnow

 

Was sind heute die Voraussetzungen, um in Pinnow Fluglehrer zu sein? Fliegen gelernt zu haben, bevor man laufen konnte, eine unüberschaubare Anzahl fliegerischer Bestleistungen, zahlreiche Lehrgänge, pseudo-pädagogische Grundkenntnisse, Nerven wie Drahtseile und (was übrigens für alle Mitglieder gilt) eine gewisse Trinkfestigkeit.

 

Und was sind die Kriterien, um nicht mehr mit gewichtiger Miene im Flugzeug hinten sitzen zu dürfen? Ideologischer Über-bau oder familiärer Hintergrund jedenfalls nicht. Wen interessiert heute, wer bei welcher Partei das Kreuz auf den Wahlzettel macht oder welchen binnendeutschen Verwandtschaftshintergrund die Eltern oder anderer familiärer Anhang haben? Niemanden! Selbst bundesdeutsche Einwanderer und die geschmähten Sachsen lässt man fliegen und sogar schulen.

 

Eine gute Generation zurück sah das anders aus. Und ab hier wird es wieder ernst.

 

Auf unserem Flugplatz war in den sechziger und siebziger Jahren ein Fluglehrer tätig: Heinz Mraß. Sein Sohn Heinz-Ulrich lernte während dieser Jahre in Pinnow das Fliegen. Heinz Mraß ist vor wenigen Jahren gestorben.

Heinz Mraß arbeitete in dieser Zeit hauptberuflich als Leiter der Sternwarte Schwerin, als Hobby betrieb er den Segelflug-sport.

Im Bezirksvorstand der GST war er Mitglied der Kaderkommission und hat in dieser Funktion Entscheidungen über die Zu-lassung oder Nichtzulassung der Flugsportler im Bezirk Schwerin mitgetragen.

 

War es Instinkt, eine Ahnung oder Kenntnis, was ihn zum Verschweigen seiner in der BRD lebenden Mutter gegenüber den Behörden bewog? Ulrich Mraß wollte seine Berufstätigkeit nicht gefährden und trotzdem weiterhin im Flugsport tätig sein. Die Entscheidung zum Verschweigen war aus seiner Sicht richtig, denn die Kriterien für die „Nichtzulassung zum Segel-flugsport“ waren eindeutig. Festgelegt wurden diese in der geheimen Anordnung Nr. 6/1976 des Zentralvorstandes der GST vom 5.4.1976. Darin heißt es u.a.:

 

Die Zulassung zur Teilnahme an der fliegerischen Tätigkeit in der GST erfolgt entsprechend der gesellschaftlichen Notwendigkeit und der sich daraus für die GST zu erfüllenden Aufgaben. Die Auswahl und Erstbestätigung von Bewerbern sowie die periodisch vorzunehmende Wiederbestätigung von Teilnehmern sind den Klassen- und Sicherheitsinteressen des sozialistischen Staates unterzuordnen. (…)

 

Es folgen im Originaltext 13 Punkte, von denen die vier für die Sperrung des Fluglehrers Mraß entscheidenden hier genannt werden sollen:

 

 Eine Bestätigung von Bewerbern bzw. eine Wiederbestätigung von Teilnehmern ist nicht vorzunehmen, wenn:

 

- ein Verwandter 1. Grades des Bewerbers oder Teilnehmers bzw. einer seiner Angehörigen nach dem 7. Oktober 1949 gesetzwidrig das Staatsgebiet der DDR verlassen hat (Verwandte 1. Grades sind Eltern und Kinder – Angehörige im Sinne dieser Verordnung sind Ehepartner und Geschwister).

 

- aktive Verbindungen privaten Charakters zu Personen oder Institutionen in nichtsozialistischen Ländern sowie nach Westberlin unterhalten werden

 

- durch den Bewerber oder Teilnehmer unwahre oder unvollständige Angaben in seinen Kaderunterlagen gemacht wurde

 

- der Bewerber oder Teilnehmer die von ihm oder von seinen mit ihm in einem gemeinsamen Haushalt lebenden Verwandten bzw. Angehörigen unterhaltenen aktiven persönlichen oder postalischen Verbindungen zu Bürgern oder Institutionen nichtsoz. Staaten (…) verschwiegen hat.

 

Auf kuriosen Wegen hatte das MfS von der Westverwandtschaft Wind bekommen. Als die Tatsache bekannt wurde (nicht über die Pinnower IMs! Die hätten natürlich berichtet, wussten aber von der Westverwandtschaft nichts – R.L.) ging alles seinen sozialistischen Gang:

 

Übersichtsbogen zur operativen Personenkontrolle

 

Name, Vorname (Mraß, Heinz)

Geb. am, in xxxxxxxxxxxxxxxxx

Wohnhaft xxxxxxxxxxxxxxxxx

Beschäftigt xxxxxxxxxxxxxxxxx

 

1. Entscheidung über das Einleiten

Brüggemann, Hauptmann 19.6.1979 i.V. Röpke, Major

 

2. Gründe für das Einleiten

(Mraß) unterhält Verbindungen in die BRD, die er gegenüber der Öffentlichkeit konspiriert. Der Postverkehr enthält Verdachtshinweise für die Anwendung von SVM und das Versenden von Versorgungspaketen.

 

Mraß ist Inhaber der Berechtigungen für Segel- und Motorflug. Durch seine Tätigkeit auf Flugplätzen der GST und durch seine berufliche Stellung verfügt er über Möglichkeiten zur militärische und politischen Spionage.

 

3. Ziel der operativen Personenkontrolle

Klärung des Umfangs und Charakters der konspirativen Verbindung

(….)

Aufklärung der Persönlichkeit des xxxx, seiner Familienangehörigen und Verbindungen

 

4. Eingesetzte IM / GMS IMS „Rainer Holtz“

 

Nun wurde die Operation „Planet“ gestartet (Planet – sehr sinniger Codename für einen Bürger, der gleichzeitig Segelflieger und Sternwartenchef war – R.L.) und zwar mit einer Anfrage an Abteilung XX (20 - R.L.)

 

 

Anfrage der Abteilung II/5 an Abteilung XX

Schwerin, 06.08.1979

 

Xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx

 

Es wird gebeten, vom xxxxxxxxxxxx, unter Einhaltung der Konspiration der Kaderunterlagen über die og. Person einzuholen und der Abteilung II zur operativen Auswertung zur Verfügung zu stellen. (…)

 

Nebenberuflich ist (Mraß) als Flieger der GST tätig und soll über eine Segel- und Motorflugerlaubnis verfügen.

 

Es wird gebeten, zu überprüfen, ob dieses gegenwärtig noch zutrifft, in welcher Intensität er dem Flugsport nachgeht, welche Flugarten und Flugstrecken er absolvierte, welche Stellung er gegenwärtig im GST-Flugwesen bekleidet und ob es seinerseits Verstöße gegen die geltenden Flugvorschriften, Ordnung und Sicherheit gab.

(…)

Sollten in diesem Zusammenhang bestehende oder ehemalige NSW-Verbindungen (Nichtsozialistisches Ausland) bekannt sein, wird um entsprechende Mitteilung gebeten

(…)

Leiter der Abteilung

Höller Oberstleutnant

Die Abteilung XX (20) war nicht faul, am 27.8.1979 kam die Antwort:

 

Ermittlungen zu xxxxxxxxxxxx

Ihr Schreiben v. 6.8.79, 808/79 brü-kl

 

Zu (Mraß) wurde folgendes ermittelt:

 

Xx ist gegenwärtig ehrenamtlicher Segelfluglehrer am Segelflugplatz Pinnow. Er fliegt aber sehr wenig, da er wenig Freizeit hat. Sein Einsatz beschränkt sich auf den Flugplatz Pinnow (…).

 

Xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx

 

Verstöße gegen die geltenden Bestimmungen, gegen Ordnung und Sicherheit im Flugsport durch ihn sind nicht bekannt..

Verstöße gegen seine schriftlich abgegebene Verpflichtung zum Abbruch der NSW-Verpflichtungen wurden bisher bei der GST ebenfalls nicht bekannt. Diese Verpflichtung gilt auch gegenwärtig noch.

 

Leiter der Abteilung

Freyer Oberstleutnant

 

Im „Abschlußbericht zum operativen Material „Planet“ der Abteilung II/5“, der erst am 18.11.1983 erstellt wurde, wird vom MfS im Wesentlichen ein negatives Charakterbild des H. Mraß gezeichnet. Spionagevorwürfe wurden allerdings ausgeschlossen, das Verschweigen und Aufrechterhalten der Verbindung zur Mutter und anderer Verwandtschaft in der BRD wurde ihm zum Vorwurf gemacht (…).

Am Ende des Berichts heißt es lapidar:

 

Es wird deshalb vorgeschlagen, die operative Bearbeitung des Materials einzustellen, die Bestätigung des (Mraß) als Flugkader und Fluglehrer der GST zurückzuziehen. (…)

 

Der letzte Start des Fluglehrer Heinz Mraß in Pinnow erfolgte laut unserer Haupt-Flugbücher am 18.6.1978. Auch sein Sohn Heinz-Ulrich ist später in Pinnow nicht mehr geflogen.