B E R I C H T  2 - s i c h e r h E i t s ü b e r p r ü f u n g e n  b e i  F l u g s c h ü  l e r n

Im folgenden Beitrag gehen wir der Frage nach, wie man vor der Wende in Pinnow Flugschüler wurde. Die Frage klingt banal, man denkt, sicher wie heute bei uns im Verein: Man kommt, meldet sich an (Aufnahmeantrag, polizeiliches Führungs-zeugnis usw.) und ab in die Luft. Dann folgt noch die Zustimmung auf der Mitgliederversammlung und man ist ordentliches Mitglied.

In GST-Zeiten lief das etwas anders ab. Folgendes Dokument dient dem Verständnis über den Sinn und die Aufgabe des GST-Segelflugsports. Und dies hatte Auswirkungen auf die Mitgliederauswahl.

Nachdem am 16.07.1980 ein GST-Motorflugzeug über die Westgrenze geflogen war (Grenzdurchbruch) und dieses Ereignis von den Westmedien ausgeschlachtet wurde, zog man die Zügel seitens des MfS noch einmal an.

 

Dazu hier eine Weisung des „Ministerium für Staatssicherheit“ von 1981 (Kopfzeile im Original teilweise handschriftlich)

Ministerrat der DDR Bln., 28.9.81

Ministerium für Staatssicherheit TgbNr 615/81

 

An alle Ltr. BV

Ltr. HA I, II, VII,XVIII, XIX, XX, XX/3

 

Durchführung von Sicherheitsüberprüfungen zu Bewerbern für die Dienstlauf-bahnen Militärflieger und Fallschirmjäger der NVA sowie Bewerbern für die Flug- und Fallschirmsprungausbildung der GST

 

Die zuverlässige Gewährleistung des Schutzes der sozialistischen Errungen-schaften in der DDR erfordert (……) hohe Leistungen und Anstrengungen.

 

 

Dabei hat die GST mit der Organisierung und Durchführung der vormilitärischen Ausbildung einen wesentlichen Beitrag zur Auffüllung des Kaderbestandes der NVA, besonders bei der Gewinnung und Entwicklung zukünftiger Militärflieger und Fallschirmjäger, zu leisten.

 

Politisch-operative Erkenntnisse beweisen, dass sich die Angriffe des Feindes auf Flugzeugführer der GST als Zielgruppe konzentrieren. Verratshandlungen unter Missbrauch der Flugtechnik der GST stellen neben anderen Gesetzesverletzungen eine erhebliche Gefährdung der Sicherheit an der Staatsgrenze der DDR dar und werden vom Gegner auf spektakuläre Weise zur politischen Diskreditierung der DDR und zur Hetze gegen die DDR missbraucht.

 

Bis zum Erlaß weiterer dienstlicher Bestimmungen (...) ist unter Berücksichtigung bereits bestehender dienstlicher Bestim-mungen und Weisungen des MfS, des MfNV und des Zentralvorstandes der GST nach folgenden Grundsätzen zu ver-fahren:

 

Die Leiter der Kreisdienstellen haben:

 

bei den Sicherheitsüberprüfungen zu Bewerbern haben eine enge Zusammenarbeit zwischen dem für die Sicherheits-überprüfungen und Entscheidungsvorbereitungen zuständigen Mitarbeiter und dem Abwehroffizier des MFS im WKK zu sichern, um durch rechtzeitige Aufklärung einen einheitlichen, abgestimmten Entscheidungsvorgang zu dem betreffenden Bewerber zu erhalten

(….)

bei der Beurteilung operativer Fakten und Hinweise eine formale Anwendung der Anforderungskriterien für Bewerber zu ver-hindern und zu sichern, dass stets die Gesamtpersönlichkeit des Bewerbers als Grundlage der jeweiligen Entscheidung beachtet wird.

(…)

 

Bewerber für die Flug- u. Fallschirmsprungausbildung der GST

 

Die Entscheidungen zu den genannten Bewerbern sind durch die Kreisdienststellen (…) innerhalb von 8 Wochen vorzu-bereiten.

Die Entscheidung wird durch die Bestätigungskommission der GST (…) getroffen, in der ein operativer Mitarbeiter der zu-ständigen Diensteinheit (HA XX/3 bzw. Abt. XX der Bezirksverwaltung) mitarbeitet.

 

Er hat in der Bestätigungskommission zu sichern, dass die im Ergebnis der Sicherheitsüberprüfung getroffene Entscheidung (…) durchgesetzt wird.

Zu bereits bestätigten Teilnehmern der Flug- und Fallschirmsprungausbildung der GST sind jährlich Wiederholungs-prüfungen vorzunehmen, in deren Ergebnis in der Bestätigungskommission der GST erneut eine Entscheidung bis zum 31.3. zu treffen ist.

(….)

Notwendige Ablehnungen von Bewerbern und Herauslösungen von bereits bestätigten Bewerbern, die aufgrund bekannt gewordener operativ bedeutsamer Fakten notwendig werden, sind unter Angabe der Gründe – bei Wahrung der Konspi-ration und Geheimhaltung – (…) dem jeweiligen Kreis- bzw. Bezirksvorstand der GST abzustimmen.

 

Wir sehen, die staatlichen Behörden hatten bei der Bewerbung eines Flugschülers in Pinnow einiges zu tun. Da kam keine Langeweile auf. Zahlreiche Stellen und Personen wurden im Hintergrund befragt, ohne dass der Kandidat etwas davon mitbekam. Letztlich hob oder senkte ein Mitarbeiter des MfS den Daumen. Gleiches galt bei den jährlichen Sicherheits-überprüfungen durch diverse Dienststellen und das MfS

 

Hier der Auskunftsbericht über einen Fluginteressierten, der sich 1981 in Pinnow beworben hatte:

 

Kreisdienststelle Schwerin

Schwerin, den 30.10.1981

 

Bestätigt:

 

Stellvertreter Operativ

(Kürzel – Anm. R.L.)

Dr. Schwarz, Oberst

 

Verteiler:

1x Abt. XX/3

1x Handakte

 

Auskunftsbericht für die Bestätigung als Segelflugkader der GST

 

Name,Vorname xxxxxxxxxxxxxx

Geb. am: xxxxxxxxxxxxxx

PKZ xxxxxxxxx

Beruf: ohne

Tätigkeit: Schüler

Schulbildung: 11. Klasse EOS

Soz. Herkunft: Intelligenz

Pol. organisiert: FDJ, GST, DSF

Wohnhaft 2700 Schwerin, xxxxxxxx

Familienstand: ledig

Religion: ohne, keine kirchliche Bindung

Vorstrafe: keine

 

Der Kandidat ist kontaktfreudig und hilfsbereit. Durch seine Aufgeschlossenheit und sein Temperament in der schulischen und außerschulischen Arbeit nimmt er im Klassenkollektiv einen festen Platz ein.

xx bleibt jedoch bei aktuell politischen Tagesproblemen und politischen Diskussionen im Hintergrund. Er äußert sich positiv, aber nur, wenn er zur Diskussion aufgefordert wird.

Vom xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx des GST-Flugplatzes Pinnow wird ebenfalls eingeschätzt, dass er bei politischen Diskussionen zurückhaltend ist, jedoch eine positive Stellung zur Politik von Partei und Regierung bezieht. Dies äußert sich auch in der Bereitschaft, Berufsoffizier der Luftstreitkräfte der NVA zu werden.

Im Gespräch mit dem Fluggruppenleiter wurde herausgearbeitet, dass xx versucht, umfangreiche Kenntnisse auf dem Ge-biet des Segelflugsports zu erlangen. Hier weißt er gute Leistungen auf, ist technisch interessiert und während der Aus-bildung diszipliniert. Sein Auftreten gegenüber den Ausbildern und auch den Flugschülern des Flugplatzes ist korrekt.

 

Nach eigenen Angaben des Kandidaten ist eine Tante xxxxxxxxxxx / BRD wohnhaft.

 

Auf Grund der geführten Ermittlungen ist gegen eine Bestätigung im Segelflugsport der GST nichts einzuwenden.

 

Quellen:

IMS „Dieter Roller“

IMS „Borgh“

IMS „Werner Neumann“

Ermittlungsbericht der Abt. VIII

GMS „Bruno“

GMS „Harry“

Ermittlungsbericht des Gen. Xxxxxx, ABV

P-Unterlagen des xx vom Flugplatz

Speicher des MfS und der VP

 

Leiter der Kreisdienststelle: Köhn, Oberstleutnant                                                                                                                           Sachbearbeiter     Kestner  Oberfeldwebel

Die scheinbar größte Angst der Staatsführung bestand in der eventuellen Flucht eines Piloten in die BRD mit einem GST-Flugzeug. Um einen solchen Image-Schaden zu verhindern, wurden alle Überwachungs- und Sicherheitsmechanismen in Bewegung gesetzt. Ein weiterer Überwachungsgrund war der Wunsch nach 100% funktionierenden NVA-Piloten. Man wollte keinen Kampfpiloten, der im Ernstfall – also im 3. Weltkrieg – sich aufgrund seiner Verwandschaft entweder zum "Klassen-feind" absetzt oder eventuelle Einsatzbefehle verweigert.

Aus den frühen 80er Jahren liegen uns zwei weitere Auskunftsberichte über Bewerber am Flugplatz Pinnow vor. Auch diese beiden Schüler wurden nach eingehender Prüfung angenommen. Offensichtlich war Westverwandtschaft 2. Grades (Tante, Großeltern – s. Bericht oben) kein automatischer Ablehnungsgrund. Anders sah es bei Westverwandtschaft 1. Grades aus, also bei Eltern oder Kindern. Und wenn diese dann noch den Behörden verschwiegen wurden, sah es für die Flieger nicht gut aus.